Rechtstipps 24/25

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2025
BGH, Anlagevermittler, Plausibilität, keine anlasslose Nachforschungspflicht
Den Anlagevermittler trifft ungeachtet der jeweiligen Umstände des Einzelfalls „ohne zusätzliche Anhaltspunkte“ keine „anlasslose Verpflichtung“ zum Abrufen und Lesen der im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten früheren Jahresabschlüsse der kapitalsuchenden Unternehmen und zur Weitervermittlung ihres Inhalts an den Anlageinteressenten. Ergeben die dem Vermittler bereits vorliegenden Informationen ein hinreichendes, objektiv zutreffend erscheinendes und in sich schlüssiges Gesamtbild der Anlage, reicht es aus, wenn er die Plausibilität des Anlagekonzepts anhand dieser Informationen beurteilt. Weitere Nachforschungen bzw. Ermittlungen zur Gewinnung neuer, ihm bislang unbekannter Erkenntnisse in Bezug auf das Beteiligungsobjekt muss der Vermittler nur anstellen, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte Anlass zu Zweifeln am Funktionieren des Anlagemodells geben; BGH, Urt. v. 15. August 2024 – III ZR 73/23, Rn. 24 und 26, je mwN.

02
2025
BGH, Begriff der Finanzdienstleistung bei Sachgütern
Dass der reine Verkauf von Sachgütern zum Zweck der Geldanlage eine Finanzdienstleistung im Sinne des Art. 2 Buchst. B der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie bzw. des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF darstellt, bezweifelt der BGH unter Darlegung des Verständnisses des Unionsgesetzgebers. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Vertragswerks und der. zugrunde liegenden Interessenlage kann sich gleichwohl die Qualifikation als Finanzdienstleistung ergeben. Im konkreten Fall ging es um ein „Teakinvestment“, welches nicht nur auf den reinen Erwerb von Sachgütern bzw. des Eigentums zielte, sondern auf eine Verwertung am Ende der Vertragslaufzeit mach entsprechenden (wertsteigernden) Dienstleistungen des Vertragspartners; vgl. BGH, Urt. v. 15. Mai 2024 – VIII ZR 226/22, Rn. 77 f.

01
2025
BGH, Anlagevermittler, Bonität des kapitalsuchenden Unternehmens
Ein Anlagevermittler ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Dazu ist es erforderlich, dass sich der Anlagevermittler vorab selbst über die Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und die Bonität des Kapitalsuchenden informiert; vgl. BGH, Urt. v. 19. September 2024 - III ZR 299/23 Rn. 9; Urt. v. 21. November 2019 - III ZR 244/18, Rn. 17 f. Liegen dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt der Anlagevermittler mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies dem Anlageinteressenten offenlegen; BGH, Urt. v. 19. September 2024 - III ZR 299/23 Rn. 9; Urt. v. 21. November 2019 - III ZR 244/18, Rn. 17 f.; Urt. v. 5. März 2009 - III ZR 17/08, Rn. 11. Inhalt und Umfang der Informations- und Beratungspflicht sowie ihre Grenzen hängen dabei von den Umständen des Einzelfalles ab. Grundsätzlich schuldet der Anlagevermittler aber keine fachkundige Bewertung und Beurteilung in diesem Punkt; vgl. BGH, Urt. v. 19. September 2024 - III ZR 299/23 Rn. 12; Urt. v. 21. März 2024 - III ZR 71/23, Rn. 19.

01
2025
BGH, Vermittlung eines Anwaltsmandats, Vergütung
Der Bundegerichtshof entschied zu § 134 BGB und § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO, dass eine Vereinbarung unwirksam ist, mit welcher ein Dritter einem Rechtsanwalt den Auftrag eines Mandanten zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung vermittelt und sich dafür bezahlen lässt; BGH, Urt. v. 18. April 2024 – IX ZR 89/23, Leitsatz.

01
2025
BGH, Bestreiten des Liquiditätsstatus‘ durch Dritte
Von einem außerhalb der Gesellschaft stehenden Dritten kann nicht ohne Weiteres verlangt werden, dass er den vom Insolvenzverwalter zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin aufgestellten Liquiditätsstatus im Einzelnen konkret und substantiiert bestreitet, wenn der vom Insolvenzverwalter vorgelegte Liquiditätsstatus keine Einzelheiten enthält und der Insolvenzverwalter seinerseits seinen Vortrag nicht näher - etwa durch Vorlage von Rechnungen, Kontoauszügen oder sonstigen Unterlagen - belegt hat; BGH, Urt. v. 18. April 2024 – IX ZR 129/22, Leitsatz.

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2024
BGH, GmbH, Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt wer- den. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die Insolvenzgründe beseitigt wurden; BGH, Beschl. v. 25. Januar 2022 - II ZB 8/21, Leitsatz.

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2024
BGH, Leitentscheidung im Scraping-Komplex (Facebook)
In einem Leitentscheidungsverfahren (§ 552b ZPO) entschied der Bundesgerichtshof per Beschluss vom 31. Oktober 2024 (BGH VI ZR 10/24) über bestimmte Fragen im Scraping-Komplex. Hintergrund war, dass zwischen Januar 2018 und September 2019 unbekannte Dritte durch die Eingabe zufälliger Nummernfolgen über die Kontakt-Import-Funktion des Netzwerks Telefonnummern Nutzerkonten zuordneten und die abgegriffenen Daten von 533 Millionen Nutzern im April 2021 öffentlich im Internet verbreiteten. Viele Verbraucheranwälte warben angesichts dessen mit der Interessenvertretung und machten Schadensersatz-, Feststellungs-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüche für die Mandanten geltend. Der begehrte Schadensersatz war zumeist vierstellig.
Unter Hinweis auf den EuGH entschied der BGH u.a., dass bereits der kurzzeitige Kontrollverlust über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden darstellen kann und es dabei zusätzlicher spürbarer negativer Folgen nicht bedarf. Jedoch dürfte sich der angemessene Schadensersatz in solchen Fällen nur auf etwa 100 Euro belaufen. Zudem bejahte der BGH ein Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Ersatzpflicht in künftigen solchen Fällen bzw. an der Möglichkeit, später eintretenden Schäden noch geltend zu machen.
Kommentar: Für Geschädigte und deren Rechtsanwälte wird der Scraping-Komplex aufgrund der geringen Schadenshöhe damit unattraktiver. Es stellt sich die Frage, ob sich die jeweiligen Mandanten des Risikos einer übersetzten Schadensersatzforderung bewusst waren.

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2024
BGH, Maklerlohn bei vermitteltem nichtigem Geschäft
Zahlt ein Schuldner vereinbarungsgemäß Maklerlohn für die Vermittlung von Verträgen, stellt die Zahlung der sich an der Höhe der in den Hauptverträgen vereinbarten Vergütung orientierenden Provision keine unentgeltliche Leistung dar, auch wenn die Hauptverträge zivilrechtlich anfechtbar sind oder die Kunden des Schuldners verlangen könnten, schadensersatzrechtlich so gestellt zu werden, als ob die Verträge nicht geschlossen worden seien, weil der Schuldner sie bei Abschluss der Verträge betrogen hat; BGH, Urt. v. 10. Juni 2021 – IX ZR 157/20, Leitsatz.

11
2024
BGH, KWG-Verstoß durch Organ, Strafbarkeit, Haftung
Der BGH entschied im Zusammenhang mit Schadensersatzforderungen gegen einen „Direktor“ einer Gesellschaft und Geschäftsführer von Tochtergesellschaften am 9. November 2023 in den Leitsätzen (III ZR 105/22): Wer entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, macht sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, trifft die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist (Bestätigung von BGH, Urteile vom 15. Mai 2012 -VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177 Rn. 19 und vom 12. Dezember 2019 - IX ZR 77/19, NJW-RR 2020, 292 Rn. 35). Die objektive Organstellung allein ist nicht hinreichend, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das gesondert festgestellt werden muss. Interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer juristischen Person können zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Es bestehen jedoch in jedem Fall gewisse Überwachungspflichten, die das danach unzuständige Organ zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch das zuständige Organ nicht mehr gewährleistet ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Oktober 1996 - VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 377 f).

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2024
BGH, Entlassung eines Insolvenzverwalters
UDI-Komplex: Im Zusammenhang mit der Einberufung von Gläubigerversammlungen wies der Insolvenzverwalter die Gläubiger auf die Möglichkeit hin, einen von (nur) zwei namentlich benannten Rechtsanwälten mit einer kostenlosen Vertretung im Berichtstermin zu beauftragen. Zuvor hatten mehrere Rechtsanwälte angezeigt, dass sie Gläubiger vertreten. Das Landgericht Leipzig entließ den Verwalter auf Antrag eines Gläubigers. Der nach Beschwerde zuständige BGH entschied daraufhin mit Beschluss vom 23. November 2023 (IX ZB 29/22):
Die Entlassung des Insolvenzverwalters auf Antrag eines Gläubigers wegen fehlender Unabhängigkeit stellt einen gesetzlich geregelten Unterfall einer Entlassung aus wichtigem Grund dar. Ein Insolvenzgläubiger kann seinen Antrag auf Entlassung des Insolvenzverwalters aus dem Amt wegen fehlender Unabhängigkeit auch auf Umstände oder Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters stützen, die erst nach der Bestellung des Insolvenzverwalters eingetreten sind. Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters führen nicht stets dazu, dass zugleich seine Unabhängigkeit beeinträchtigt ist. Ein Beschwerderecht steht einem Insolvenzgläubiger nur für seinen Antrag zu, den Insolvenzverwalter wegen fehlender Unabhängigkeit aus seinem Amt zu entlassen. Der Insolvenzverwalter handelt pflichtwidrig, wenn er die Insolvenzgläubiger in ihrer Entscheidung über die Zusammensetzung des endgültigen Gläubigerausschusses zu beeinflussen versucht.

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2024
BGH, Publikumsgesellschaft, Auskunftsrecht Mitgesellschafter
Wer sich an einer Personen- bzw. Personenhandelsgesellschaft, insbesondere in Form einer Publikumsgesellschaft beteiligt, muss damit rechnen, dass neben seinen Daten (Namen und Anschrift) auch seine Beteiligungshöhe an seine Mitgesellschafter bzw. diesen gleichgestellten Mittreugebern mitgeteilt wird. Ein entsprechendes Auskunftsersuchen des Gesellschafters, das – jedenfalls auch – dem Ziel dient, Kaufangebote für Anteile zu unterbreiten, stellt keine unzulässige Rechtsausübung und keinen Missbrauch des Auskunftsrechts dar. Einem solchen Auskunftsbegehren stehen auch nicht die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung entgegen; BGH, Beschl. v. 24. Oktober 2023 – II ZB 3/23.

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2024
BGH, entgeltliche Mandatsvermittlung
Vermittelt ein Dritter einem Rechtsanwalt den Auftrag eines Mandanten zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung und lässt er sich für die Leistung bezahlen, ist die dem zugrunde liegende Vereinbarung gemäß § 134 BGB i.V.m. § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO unwirksam; BGH, Urt. v. 18. April 2024 – IX ZR 89/23, vgl. Leitsatz.

8
2024
BGH, substantiiertes Bestreiten des Liquiditätsstatus‘ durch einen Dritten
Von einem außerhalb der Gesellschaft stehenden Dritten kann nicht ohne Weiteres verlangt werden, dass er den vom Insolvenzverwalter zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin aufgestellten Liquiditätsstatus im Einzelnen konkret und substantiiert bestreitet, wenn der vom Insolvenzverwalter vorgelegte Liquiditätsstatus keine Einzelheiten enthält und der Insolvenzverwalter seinerseits seinen Vortrag nicht näher – etwa durch Vorlage von Rechnungen, Kontoauszügen oder sonstigen Unterlagen – belegt hat; BGH, Urt. v. 18. April 2024 – IX ZR 129/22, Leitsatz.

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2024
BGH, Ansprüche gegen einen Sonderverwalter
Ansprüche, die sich gegen einen Sonderverwalter richten, der zur Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen Verwalter eingesetzt wurde, können nur von einem neuen Verwalter oder einem weiteren Sonderverwalter geltend gemacht werden; BGH, Urt. v. 11. April 2024 – IX ZR 148/22, Leitsatz.

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2024
Sportwetten, BGH erlässt Vorlagebeschluss an den EuGH
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs legt im Verfahren BGH I ZR 90/23 dem EuGH die Frage vor, ob die Dienstleistungsfreiheit eines Anbieters von Sportwetten einer Erstattung der im Rahmen unerlaubter Online-Sportwetten erlittenen Verluste von Spielern entgegensteht. Im Streitfall hatte der betreffenden Anbieter keine deutsche Konzession. Grundsätzlich sind solche Verträge nach deutschem Recht nichtig. Es stellt wich die Frage, ob sich aus dem EU-Recht eine andere rechtliche Beurteilung ergibt. Der BGH neigt dazu, die Nichtigkeit auch angesichts EU-Rechts zu bejahen.

7
2024
bc connect, Insolvenzanfechtung
Wir sind vom Insolvenzverwalter über das Vermögen der bc connect GmbH damit beauftragt worden, Anfechtungsansprüche gerichtlich bundesweit durchzusetzen. Zuvor erhalten die betreffenden Anfechtungsgegner nochmals die Gelegenheit, unter Darlegung individueller Umstände (mögliche Entreicherung, etwaige besondere wirtschaftliche Situation) in Vergleichsverhandlungen zu treten. Die Anfechtungen gründen sich im Wesentlichen auf nichtige Darlehensverträge und objektive Wertinadäquanz. Aus dem Handeln der bc connect und der Rechtswidrigkeit der Nachrangklausel wiederum ergeben sich auf der anderen Seite Schadensersatzansprüche der ehemaligen Anleger, welche diese zur Insolvenztabelle anmelden können oder bereits angemeldet haben. Auch deshalb sind die Anfechtungen geboten.

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2024
BGH, Aussetzung der Verhandlung nach § 148 ZPO
Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Umstand, dass in einem vor dem Bundesverfassungsgericht geführten Verfassungsbeschwerdeverfahren über eine Frage zu entscheiden ist, von deren Beantwortung die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, eine Aussetzung der Verhandlung nach § 148 Abs. 1 ZPO nicht rechtfertigt. Die Aussetzung eines Rechtsstreits nach § 148 Abs. 1 ZPO kommt – auch in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift – nicht bereits deshalb in Betracht, weil bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht oder bei anderen Spruchkörpern dieses Gerichts eine Vielzahl weiterer Parallelverfahren anhängig ist; BGH, B. v. 4. Juni 2024 – VIII ZB 40/23, Leitsätze.

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2024
BGH, Geschäftsführer, Register, Name, Wohnort
Der Geschäftsführer einer GmbH hat keinen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts im Handelsregister. Der Wohnort des Geschäftsführers einer GmbH ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Ein Widerspruchsrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 DS-GVO besteht nicht, wenn die Datenverarbeitung aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Pflicht des Verantwortlichen erfolgt. Das gilt auch dann, wenn die Verarbeitung zugleich nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DS-GVO erlaubt wäre. Auch ein Anspruch aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO auf Einschränkung der Verarbeitung besteht in diesem Fall nicht; BGH, Beschl. v. 23. Januar 2024 – II ZB 7/23, Leitsätze.

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2024
BGH, Rechtsberater, Drittschutz, Haftung, möglicher Insolvenzgrund
Ein Rechtberater einer Gesellschaft haftet unter Umständen auch gegenüber dem Geschäftsführer bei verspäteter Insolvenzantragstellung auf den diesem daraus entstandenen Schaden. Hierzu urteilte der Bundesgerichthof am 29. Juni 2023 (IX ZR 56/22) in den Leitsätzen:
Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil dem Berater im Verhältnis zum Mandanten nur eine Schutz- oder Fürsorgepflichtverletzung zur Last fällt. Die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz für den Geschäftsleiter der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten; Voraussetzung ist ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung. In den Schutzbereich des Vertrags bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund kann auch ein faktischer Geschäftsleiter einbezogen sein.

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2024
BGH, Riester-Verträge, Vermittlungskosten, unwirksame Klausel
Mit Urteil vom 21. November 2023 kassierte der Bundesgerichtshof eine Klausel zu Vermittlungskosten bei Riester-Verträgen. Dies könnte Hunderttausende von Sparkassen- und Volksbanken-Kunden mit Riester-Altersvorsorge betreffen. Der BGH entschied über eine Klage eines Verbrauchervereins (BGH XI ZR 290/22). Im Fokus stand eine Klausel einer Sparkasse, nach welcher für den Fall, dass nach der Ansparphase eine Leibrente vereinbart wird, „dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet“ werden. Diese Formulierung ist für den durchschnittlichen Sparer nicht transparent und verständlich. Die Kosten müssten klar beziffert werden können. Der Bankkunde wird unangemessen benachteiligt. Nach dem AGB-Recht ist diese Klausel unwirksam, wie der BGH urteilte. Solche Kosten können infolgedessen bei Verwendung entsprechender Klauseln zurückgefordert werden.

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2024
BGH, keine Schenkungsanfechtung von Maklerlohn bei Schneeballsystemen
Hat ein Insolvenzschuldner vereinbarungsgemäß Maklerlohn für die Vermittlung von Verträgen gezahlt, so kann die Zahlung der sich an der Höhe der Vergütung in den Hauptverträgen orientierenden Provision nicht gemäß § 134 Abs. 1 InsO angefochten werden. Die Provision stellt keine unentgeltliche Leistung dar, auch wenn die Hauptverträge zivilrechtlich anfechtbar sind oder die Kunden des Schuldners verlangen könnten, schadensersatzrechtlich so gestellt zu werden, als ob die Verträge nicht geschlossen worden seien, weil der Schuldner sie bei Abschluss der Verträge betrogen hat: BGH, Urt. v. 10. Juni 2021 – IX ZR 157/20.